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Mit den Augen der Anderen sehen lernen

Nachricht 13. Mai 2016
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Kirchenkreis Nienburg erinnert an langjährige Begegnungsarbeit mit Frauen im Sudan

Am 28.Mai dieses Jahres feiert das Frauenwerk der ev. luth. Landeskirche Hannovers sein 75. Jubiläum. Auch im Kirchenkreis Nienburg wird dies im Rahmen des jährlich stattfindenden Frauengottesdienstes am zweiten Sonntag nach Pfingsten gewürdigt, teilt das Vorbereitungsteam bestehend aus Grete Schaer, Sigrid Piehl, Marco Voigt und Ulrike Bütepage mit. In Nienburg wolle man sich auch besonders an die langjährige Begegnungsarbeit zwischen deutschen und sudanesischen Frauen erinnern, heißt es aus dem Kirchenkreis. Grete Schaer habe hierzu eine kleine Ausstellung vorbereitet, die in der St. Martinskirche in Nienburg zu sehen sei.

Im Jahre 1992 war Nienburg noch das Zentrum des Sprengels Calenberg-Hoya und Sitz des Frauenwerkes. Dort arbeitete auch Grete Schaer als Beauftragte für die Frauenarbeit. In den kommenden Jahren organisierte sie regelmäßig Begegnungen zwischen Frauen des Sprengels und christlichen Frauen des SCC (Sudan Council of Churches). In der Regel traf sich eine Delegation von sechs Frauen im Abstand von eineinhalb Jahren im Sudan oder in Deutschland. So wurden zehn Gruppenbegegnungen durchgeführt, die hier in Nienburg von einem "Ökumenischen Initiativkries" getragen wurden.
„Thematisch folgten alle Begegnungen den Zielen der „Ökumenischen Dekade der Kirche in Solidarität mit den Frauen"“ , erklärt Grete Schaer. Deren erstes Ziel laute: „Frauen zu ermächtigen, unterdrückende Strukturen in der Gesellschaft weltweit, in ihrem Land und in ihren Kirchen in Frage zu stellen.“

In den jeweils drei- bis vierwöchigen Begegnungsprogrammen hätte stets das Kennenlernen der jeweils anderen Lebenssituation im Vordergrund gestanden. Auch das miteinander feiern und der Besuch von Gottesdiensten in den Gemeinden hätten immer dazu gehört. „Dabei kamen im Besonderen die Lebensfreude der sudanesischen Frauen zum Ausdruck und die Kraft, die sie auch aus ihrem christlichen Glauben ziehen“, erinnert sich Grete Schaer.

Bis 2008 fanden auf diese Weise zehn Begegnungen statt. Anfang 2015 reiste Schaer nochmals in den Süd-Sudan, um einige der Frauen von dort wiederzusehen. Über diese Reise sagt sie: „Die Frauen betonten wiederholt, dass die jahrelangen Begegnungen eine große Stärkung für sie gewesen seien.“ Viele von ihnen haben inzwischen hohe Stellungen in Politik und Gesellschaft, doch noch immer leidet das Land an den Auswirkungen des 40 Jahre langen Krieges, der 2005 zu der Spaltung des Landes in Sudan und Süd-Sudan führte. „Wir beten, dass wir einen haltbaren Frieden erreichen“, schreiben die Frauen aus dem Süd-Sudan.
Was haben die Begegnungen über so viele Jahre gebracht? Grete Schaer lächelt: „Die Teilnehmenden lernten ein anderes Land kennen, mit seinen Schönheiten und Problemen, mit seinen Menschen und ihren Lebenssituationen, mit den Frauen und ihrem Einsatz fürs Leben, und davon wurde Zuhause weitererzählt. Sie lernten voneinander und miteinander und versuchten „mit den Augen der Anderen sehen zu lernen“. Unsere Begegnungen waren für viele der Frauen Freiräume, in denen sie ihre Fragen und Probleme artikulieren konnten, sich unterdrückender Strukturen bewusst wurden  und Ermutigung und Ermächtigung geschah. Dies alles war möglich, weil der christliche Glaube die Basis des Vertrauens zueinander schaffte und Grenzen überwand: Mauern, Sprachbarrieren, Traditionen, Kulturen, Machtbereiche und eine willkürliche Einteilung der Welt in erste und dritte Welt.“