Nach sieben Jahren in der EKD-Auslandsgemeinde in Teheran kehrt Pastorin Almut Birkenstock-Koll mit ihrem Mann Ingo Koll nach Deutschland zurück. Der Aufenthalt im Iran war nicht der erste Auslandseinsatz des Pastorenehepaares, das den Großteil seiner Berufsjahre in Afrika und dem Nahen Osten verbrachte. Nun haben sie ihre Zelte in Schweringen, im Kirchenkreis Nienburg, aufgeschlagen.
Noch herrscht bei den Kolls das große Umzugschaos. Die Kisten stapeln sich und vor der Tür steht der Laster der Möbelspedition. Dennoch hängen im Wohnzimmer schon jetzt unzählige Bilder an der Wand – leuchtend bunt, wunderschön. Sie erzählen von fremden Ländern und Kulturen, von einem Leben weit weg von Deutschland. Und doch hängen sie jetzt unter der Balkendecke eines alten niedersächsischen Bauernhauses in Schweringen, denn dorthin hat es Almut Birkenstock-Koll und ihren Mann Ingo verschlagen. „Das ist unser Leben seit wir zusammen sind“, sagt Birkenstock-Koll und weist mit einer Geste auf die Bilder und Möbel des Raumes. „Wir waren sechs Jahre mit der Herrnhuter Brüdergemeine in Tansania und einige Jahre später dann sieben Jahre über die EKD in Nairobi. Ja, und zuletzt dann eben sieben Jahre im Iran.“ Wie es dazu kam? Ingo Koll hatte sein Auslandvikariat in Teheran gemacht. Auf einem Jubiläumsfest in Hannover traf er 2008 einen seiner ehemaligen Konfirmanden wieder, der ihm erzählte, dass die Pfarrstelle in der deutschen Gemeinde Teheran neu besetzt werden solle und fragte, ob er sich das nicht vorstellen könne. Das musste in der Familie beraten werden. Die beiden Söhne der Kolls (Jonas (33) und Daniel (30)) waren zu dem Zeitpunkt schon ausgezogen, die Tochter (Bahati, 24) jedoch war erst 17, weshalb eine gute deutsche Schule wichtig war. Die gibt es in Teheran und gemeinsam beschlossen die Kolls, erneut die Koffer zu packen. „Ich habe Ingo damals nach Afrika verschleppt und darum fand ich es nur richtig, dass unsere letzte Auslandsgemeinde in Teheran lag, das er ja schon von früher kannte“ , meint Birkenstock-Koll.
„Der Iran ist ein tolles Land, ein gastfreundliches Land, sehr ausländerfreundlich, das einen sehr eigenen Weg zu gehen versucht. Aber es ist auch ein sehr anstrengendes Land, vor allem für Frauen, mit total anderen Rechtsvorstellungen“, berichtet Birkenstock-Koll. „Die Zensur und Kontrolle der Regierung ist allgegenwärtig. So mussten wir unser Kulturprogramm in der Gemeinde 2015 einstellen, da über Facebook publik geworden war, dass bei uns junge Künstler und Künstlerinnen frei und unzensiert auftreten konnten. Und viele der Frauen, die regelmäßig an unseren Veranstaltungen teilnahmen, wurden nicht Mitglied der Gemeinde, weil sie Angst hatten ihre Familien zu gefährden. Zwar ist das Christentum offiziell eine anerkannte Minderheit, Konvertiten jedoch riskieren ihr Leben bzw. Gefängnisstrafen.“ Und Ingo Koll ergänzt: „Dennoch ist der Iran das säkularste Land des Nahen Ostens, große Teile der Bevölkerung erleben den staatlich verordneten Islam als schwierig, die Moscheen sind oft leer. Die Menschen sind religiös auf der Suche und sehr an Alternativen interessiert. Das ist meines Erachtens auch ein Grund, weshalb sich so viele Iraner hier in Deutschland taufen lassen wollen. Wir sollten bedenken, dass das nicht immer etwas mit der Hoffnung auf bessere Asylchancen zu tun hat, sondern oft auch mit der neu gewonnenen religiösen Entscheidungsfreiheit.“
Insgesamt hat die deutsche Gemeinde in Teheran um die 60 Mitglieder. „Beerdigungen hatten wir meist 1-2 pro Jahr, und in den sieben Jahren gab es eine Taufe. Unser Taufbecken stand über lange Zeit im Keller“, lacht Birkenstock-Koll, „aber dafür gab es genug andere Dinge zu tun. Unsere Hauptaufgabe bestand in der Seelsorge und der Beratung, aber auch in der ökumenischen Zusammenarbeit und Vernetzung. Das braucht Zeit, denn wenn ich jemanden besucht habe, war ich oft erstmal 1,5 Stunden mit dem Taxi unterwegs. Teheran ist eine riesige Stadt mit einem gigantischen Verkehrschaos, und selber Autofahren kostet einfach zu viel Nerven. Ja, und dann gibt es natürlich noch die „Kapellengemeinden“ in anderen Ländern des Nahen Ostens wie z.B. Qatar, Saudi Arabien und Oman – da ist man dann schon ein paar Tage unterwegs.“ Die meisten Mitglieder der Gemeinde sind deutsche Frauen, die mit Iranern verheiratet sind, und sog. „Expats“, d.h. Menschen, die für einige Jahre im Iran aus beruflichen Gründen leben, sei es weil sie an der Botschaft, an der deutschen Schule oder im Wirtschaftsbereich arbeiten oder dort studieren. Allerdings gibt es momentan kaum deutsche Geschäftsleute im Iran auf Grund der von den USA und Europa verhängten Sanktionen. Doch die Zahl der Touristen nimmt stetig zu. „In den ersten Jahren kam beinahe niemand. Doch seit Reisen nach Syrien und in die angrenzenden Länder unmöglich geworden sind und seit der Wahl des moderater auftretenden Präsidenten Rohani 2013, hatten wir einen regelrechten Besucheransturm zu verzeichnen. Unsere Gemeinde entwickelte daraufhin ein Touristenprogramm mit Vortrag und Führung von 2,5 Stunden, das im letzten Jahr von 70 Gruppen gebucht wurde.“
Genug zu tun gab es immer. „Und auch, wenn das jetzt vielleicht seltsam für manche Ohren klingt, “ lächelt Birkenstock-Koll „ich habe in Teheran gelernt, dass auch das Gebet seine Zeit braucht und ein wichtiger Teil meiner Aufgabe ist. Ja, wir haben viel miteinander gebetet in unserer Gemeinde.“
In den 80ern, wenige Jahre bevor Ingo und Almut Birkenstock-Koll das erste Mal gemeinsam ausreisten, schrieb die Dichterin Rose Ausländer die Worte: Gehen wohin dein Frageblick träumt – in die äußerste Gegenwart. Almut Birkenstock-Koll und ihre Familie sind gegangen…neugierig, offen, suchend. Und jetzt Nienburg - auch dies eine Station auf dem Weg. Für Almut Birkenstock-Koll beruflich die letzte vor ihrem Ruhestand. In den kommenden vier Jahren soll sie mit einer halben Stelle die Flüchtlingsarbeit in den Gemeinden des Kirchenkreises koordinieren und mit der anderen halben Stelle als sogenannte „Springerin“ Vertretungsdienste durchführen. „Ich bin gespannt! Vor allem aber freue ich mich auf die neue Arbeit und darauf, gemeinsam mit den Menschen der Gemeinden hier das zu teilen, was uns als Christen in dieser Welt herausfordert: Frieden zu bewahren, um Gerechtigkeit zu ringen, Brücken zu bilden zwischen Kulturen – und dies alles in Liebe untereinander und zu dem, der Grund unseres Glaubens ist.“